Unser Wald bedeckt in Deutschland etwa 30 Prozent der gesamten Fläche. Erst wenn es ihm schlecht geht, wird er von den Menschen wahrgenommen. Dies wurde zuletzt in den Dürrejahren 2018 – 2020 besonders deutlich, als über 500 000 Hektar abstarben – so groß wie die doppelte Fläche des Saarlandes.

Um in Zukunft auch wichtige ökologische, soziale und ökonomische Funktionen für unsere Gesellschaft erfüllen zu können, brauchen gesunde Wälder zwingend gesunde, lebendige Böden. Denn: Unsere Wälder werden bedroht durch Infrastruktur und Gesellschaft, klimatische Einflüsse, die Nutzung und dem politischen Rahmen. Diese Gefahren haben insbesondere in ihrer Kombination erhebliche Auswirkungen auf das ökosystemare Gefüge unserer Wälder. Um diese Bedrohungen zu verringern, müssen die Wälder zu Zukunftswälder umgebaut bzw. angelegt werden. Sie sind essentiell für das ökologische Gleichgewicht und erbringen Ökosystemdienstleistungen für Gesundheit, Wohlergehen und Lebensqualität für die zukünftigen Generationen.

Lösungsansätze für gesunde Wälder

Der Umbau zu Wäldern der Zukunft muss durch eine Kombination aus fachlichem Wissen, politischer Unterstützung und finanziellen Anreizen erreicht werden. Dafür braucht es Strategien und Bewertungsgrundlagen für die Anpassung der Wälder, die jetzt schon aufzeigen, wie solch ein Wald aussieht und funktioniert. Beispielsweise sind die Stetigkeit des Waldorganismus, d.h. Stabilität bei klimatischen Extremen, Lebendigkeit des Bodens und Mischbestockung von enormer Bedeutung. Das heißt, dass Baumartenvielfalt die ökologische Widerstandsfähigkeit gegenüber Schädlingen, Krankheiten, Trockenheit oder auch Holzwerterzeugung erhöht. „Denn ein vielfältiger Mischwald trotzt Wetterextremen und Schädlingen, infiltriert Wasser, kühlt die Landschaft und bindet Kohlendioxid. Der klimagerechte Waldumbau macht nicht nur Wälder zukunftsfähig, sondern auch die Umwelt zukünftiger Generationen lebenswerter“, betont Ludwig Pertl, ehemaliger Revierförster, Mitautor des Handbuchs für nachhaltigen Waldumbau und Fachbeirat der Interessengemeinschaft gesunder Boden.

Aktuell erschienen: Wegweisendes Handbuch für nachhaltigen Waldumbau zum Zukunftswald

Laubholzreiche Mischwälder in Plenter- (optimierter Ansatz zur Waldproduktion) oder Dauerwaldstruktur sind das angestrebte Waldumbauziel. Neu dabei ist, dass alle im Boden lebenden Organismen mit Biomasse und Licht „gefüttert“ werden müssen. Feinwurzeln und Regenwürmer sind dabei entscheidende Erfolgsfaktoren. In einer Rezension des Handbuchs fassen die beiden Wissenschaftler Prof. Dr. Claudia Künzer und Dr. Frank Thonwald, Erdbeobachtungszentrum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Lebenswerk Pertls zusammen, das noch viel anstoßen kann. „Es zeigt einen möglichen Ansatz auf, durch den der Waldboden revitalisiert werden kann und durch eine Verbesserung der organischen Bodeneigenschaften indirekt die physikalischen Bodeneigenschaften verbessert werden. Durch die Umsetzung eines Dauerwaldkonzepts mit vielen verschiedenen überwiegend Laubbaumarten mit relativ gerbstoffarmem Laub werden Vielfalt und Aktivität von Regenwürmern und anderen Bodenorganismen gesteigert. Im entstehenden Substrat erhöht sich der Feinwurzelanteil, wodurch die Wasserspeicherkapazität und die Verdunstungsleistung der darüberstehenden Bäume verbessert werden. Die resultierenden Wälder sind produktiver als artenarme Altersklassenwälder, speichern dadurch mehr Kohlenstoff und zeigen höhere Biodiversität. Darüber hinaus wird durch die Notwendigkeit einer fortwährenden aktiven Bewirtschaftung auch eine überwiegend energetische sowie teils stoffliche Nutzung der Wälder ermöglicht. Der Fokus liegt jedoch auf der Inwertsetzung von Ökosystemleistungen über die stoffliche Nutzung hinaus. Das bereits seit Jahrzehnten erfolgreich erprobte Konzept ist ein wichtiger Baustein zur klimawandelangepassten und nachhaltigen Forstwirtschaft und zum Erhalt wichtiger Ökosystemleistungen. Das Handbuch fasst alle Bausteine des Konzepts anschaulich zusammen und ermutigt zum Handeln“.

Ulrich Dohle, Bundesvorsitzender Bund Deutscher Forstleute (BDF) hält das Handbuch für sehr wichtig, denn „innerhalb der teilweise verkopften Diskussion um die Inwertsetzung der Gemeinwohlleistungen von Wald, kommt hier ein gut untermauertes Modell, auf das man mit etwas gutem Willen vielerorts aufbauen kann. Eben ein gutes Fundament für einen tragfähigen Zukunftswald“.

Pertl dazu: „Wer also zukünftige Ökosystemleistungen des Waldes benötigt, findet in dem Handbuch eine positive Lösungsmöglichkeit.“

Auch Franz Rösl, Vorstandsvorsitzender der Interessengemeinschaft gesunder Boden, ist sehr beeindruckt, „dass das Handbuch ‚Zukunftswald‘ den gesunden Waldboden ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellt und seine essentielle Bedeutung als größter Hebel gegen die Klimakrise betont. Es verdeutlicht die fundmentale Rolle der Wälder als tragende Säulen unserer Gesellschaft und Garant für das Wohl künftiger Generationen – insbesondere durch ihren Beitrag zum Wasserkreislauf, zur Landschaftskühlung und als Stabilisatoren der Ökosysteme. Mit einem klaren Leitfaden, der auf fachlicher Expertise, politischer Unterstützung und finanziellen Anreizen basiert, zeigt es den Weg auf, wie wir lebendige Zukunftswälder realisieren können“.

Neunburg v. Wald – erstes Pilotprojekt für nachhaltigen Waldumbau

Die Stadt Neunburg v. Wald hat als erste Kommune in Bayern die Ziele einer notwendigen Anpassung erkannt und mit Hilfe des Handbuchs für nachhaltigen Waldumbau einstimmig beschlossen. Damit können im Stadtbereich sowohl der Stadt-, als auch der Stiftungswald zukunftsfähig gemacht werden, und letztendlich auch der Privatwald dabei unterstützt werden. „Ich bin sehr froh, dass uns der Stadtrat ohne Gegenstimme bei diesem Waldumbau-Vorhaben unterstützt und so Neunburg v. Wald ein überregionales Vorzeige- bzw. Pilotprojekt wird. Da positive Beispiele der Schlüssel für die erfolgreiche Umsetzung sind, bekommt diesem Beschluss eine sehr wichtige und große Bedeutung zu. Dies kann auch der Startschuss für eine breite Vervielfältigung in Deutschland und Europa werden“, so Neunburgs Bürgermeister Martin Birner.

Der Waldboden – Boden des Jahres 2024

Zahlreiche bodenkundliche Gesellschaften im europäischen Raum haben 2024 den Waldboden zum „Boden des Jahres“ erkoren. Ergebnisse unterschiedlicher Studien ( z.B. die WSL-Studie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landwirtschaft) rücken die Bedeutung der Waldböden und ihrer Vielfalt je nach Standort für die Klimaregulation ins Zentrum. Sie beleuchten die zahlreichen Leistungen, die gesunde Waldböden für Mensch und Umwelt erbringen.

Sie versorgen die Pflanzen mit Wasser und Nährstoffen für ihr Wachstum, tragen zu sauberem Trinkwasser bei. Sie sind Lebensraum für zahlreiche Organismen und regulieren die Stoffflüsse von Wasser, Kohlenstoff und Nährstoffen. Nicht zuletzt leisten sie einen wichtigen Beitrag zum Hochwasserschutz.


Die Interessengemeinschaft gesunder Boden e. V. mit Sitz in Regensburg bildet ein internationales Netzwerk zum Wissenstransfer unterschiedlicher Fachrichtungen mit dem Ziel, wieder gesunde, humusreiche Böden mit hoher Wasseraufnahme und Wasserspeicherfähigkeit aufzubauen. Der Verein versteht sich als Plattform, um altes sowie neues Wissen zu sammeln und es bodeninteressierten Verbrauchern, Verbänden, Institutionen, Landwirten, Tierärzten, Ärzten und Wissenschaftlern zur Verfügung zu stellen. Die Interessengemeinschaft gesunder Boden e. V. wurde im Oktober 2018 mit dem Umweltpreis der Stadt Regensburg ausgezeichnet.

Weitere Informationen: www.ig-gesunder-boden.de