Auf ihrer Reise durch Europa besuchte die zapatistische Delegation auch einige Kämpfe gegen grosse Infrastrukturprojekte.

Dies war kein Zufall, denn seit 2018 sind auch die zapatistischen Autonomiegebiete durch ein solches Projekt bedroht, den „Tren Maya“.In Deutschland beschäftigt sich damit vor allem das Ya Basta Netzwerk, wegen des Eingriffs in die Natur aber auch Gruppen wie Greenpeace und Robin Wood. Auch Deutsche Firmen interessiere sich für das Projekt oder sind bereits darin involviert. In autonomen Kreisen ist das Thema bisher noch nicht so präsent; Grund genug, einmal einen Blick darauf zu werfen. Der Tren Maya Der Iren Maya ist ein riesiges Infrastrukturprojekt, das zumindest vordergründig einem Touristischen Interesse dient: Mit ihm soll die Yucatan-Halbinsel, die den Golf von Mexiko vom karibischen Meer trennt, durch ein insgesamt 1525 km langes Schienennetzwerk verbunden werden; die Zugstrecke soll dabei an traditionellen Maya-Stätten vorbeiführen, um diese touristisch zu erschliessen. Dabei soll die Zugstrecke auch die zapatistische Autonomiegebiete durchkreuzen.

Das Projekt ist nicht neu. Schon unter dem früheren Präsidenten Mexikos, Enrique Pena Nieto, sollte ein ähnliches Projekt auf den Weg gebracht werden. Die damals angedachte Strecke war mit 900km deutlich kürzer geplant, zudem fehlte es an einer ansprechenden Image-Kampagne, so dass das Projekt wenig Unterstützung erhielt und letztlich aufgrund von Finanzierungsproblemen im Sande verlief. Erst mit der Wahl des aktuellen Präsidenten, Andres Manuel Löpez Obrador, im Juni 2018, kam das Projekt nun unter dem neuen Namen „Iren Maya“ voran und dies auch zügig: Schon im September 2018 wurde das Projekt angekündigt. Kurz darauf kündigte die EZLN ihren Widerstand gegen da Projekt an.

Beworben wird das Projekt als Jobwunder”. Durch die Touristische Erschliessung der Yucatan-Halbinsel sollen „hunderttausende Jobs” entstehen. Auch auf andere Weise wird das Projekt schmackhaft gemacht: Es gehe um ein ökologisches Projekt, dass die Maya-Kultur fördern und erhalten werde.

Dass dies nur Augenwischerei ist, dürfte schnell klar werden. Was das Ökologische an einem Projekt sein soll, für das erwartbar 11 Millionen Bäume gefällt werden müssen und das zur Beschädigung und Zerstörung von 23 Naturschutzgebieten führt, ist kaum vermittelbar, zudem wird der Ausbau des Schienennetzes von einem Ausbau des Autobahnnetzes begleitet. Ebenso ist auch kein Erhalt und keine Förderung der Maya-Kultur zu erwarten, vielmehr wird es darauf hinauslaufen, dass die Maya-Kultur auftouristische Führungen und Souvenirshops reduziert werden wird.

Dass es bei dem Tren Maya nicht nur um ein touristisches Grossprojekt geht, zeigt sich vor allem daran, dass die Verwaltung des Zuges dem mexikanischen Militär zufällt, ebenso der Erhalt der aus dem Zugverkehr resultierende Gewinne. Hiermit sollen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Zum einen spielt die Region eine wichtige Rolle für die Migration Richtung USA, in deren Bekämpfung das mexikanische Militär eine zunehmend aggressive Rolle spielt, zum anderen bildet es die Grundlage für die militärische Bekämpfung der Zapatistas: Im Rahmen des Ausbaus der Eisenbahnstrecke wurden etliche neue Militärbasen rund um die Zapatistischen Gebiete errichtet.

Deutsche Beteiligung

Um das Megaprojekt zu realisieren, ist die mexikanische Regierung auf internationale Zusammenarbeit angewiesen. Zum einen wird in Mexiko mit der Beteiligung ausländischer Firmen geworben, zum anderen wollen diese sich eine Beteiligung sichern — entweder am Bau, oder am späteren Betrieb.

Aktuell beteiligt sich ein internationales Konsortium mit Beratungen am Bau der Strecke. Das Konsortium besteht aus dem spanischen Eisenbahnunternehmen Renfe und dem dazugehörigen Ingenieurbüro Ineco, sowie der zum Konzern der Deutschen Bahn gehörenden DB Engineering & Consulting. Aufgaben des Konsortiums sind die Beratung über den zukünftigen Betrieb und die Überwachung der Herstellung, Lieferung und Inbetriebnahme der Schienenfahrzeuge und anderer Systeme.

Mit einem Auftragswert von 13,5 Millionen Euro fällt der finanzielle Umsatz wohl aktuell eher gering aus(knapp die Hälfte davon entfallen auf die DB), doch muss davon ausgegangen werden, dass eine weitaus lukrativere und langfristigere Absicht dahintersteckt, zumal die Erweiterung des Schienennetzes des Tren Maya nach Süden über die mexikanische Landesgrenze hinaus bereits in Planung ist. In Mexiko wird jedenfalls bereits mit Bildern des ICEs geworben, der als Tren Maya durch die Gegend fahren soll.

Neben der DB hat auch Siemens Mobility Interesse bekundet und bietet sich an in den Bereichen Energieerzeugung und -übertragung, sowie Elektrifizierung, Signaltechnik und Automatisierung bis zu den Zügen an sich — soweit bekannt jedoch bisher erfolglos. Allerdings bleibt auch Siemens — wie auch andere Player im Bereich der Energieerzeugung usw. interessiert, auch wenn erste Zuschläge an das französische Unternehmen Alstom gingen.

Als letztes wäre konkret noch derTÜV Rheinland zu nennen, der sich ebenfalls für eine Art von Anfang bis Ende-Überwachung der technischen Umsetzung des Projekts angeboten hat, allerdings auch bisher ohne einen tatsächlichen Auftrag bekommen zu haben.

Angriff auf Autonomie durch Tourismus

Der Tren Maya ist neben den bereits erwähnten Auswirkungen ein Beispiel für einen Angriff auf Autonome Strukturen, der jenseits von Polizei und Militär stattfindet. Gerade der aktuelle Präsident Obrador gibt sich nach vorn heraus betont zurückhaltend, was die zapatistischen Gebiete angeht. Als Ende August 2019 Subcommandate Insurgente Galeano die Erweiterung der EZLN auf 11 neue Distrikte bekanntgab, antwortete Obrador darauf, dass diese Erweiterung „willkommen“ seien, vorausgesetzt, sie würde gewaltlos von statten gehen. Dass es mit der Gewaltlosigkeit nicht ganz so ernst gemeint ist, zeigt sich am aktuellen Ausbau der Militärbasen rund um die Zapatistischen Gebiete.

Trotz allem wird sich um das Bild der Gewaltlosigkeit bemüht, was sich auch in der Wahl der Mittel zeigt. Die Erschliessung der Halbinsel Yucatan durch den Tourismus wirkt in den heutigen Tagen weniger als Gewalt, ebenso die damit einhergehende Elektrifizierung der gesamten Region sowie den flächendeckenderen Anschluss an digitale Kommunikationsnetze. In diesem Rahmen werden die Zapatistas, wie auch die gesamte Mayakultur der Region in ein konsumerables Produkt umgewandelt, dass sich jeder, der genügend Geld zur Verfügung hat, durch das Buchen einer Reise kaufen kann. Dies aber ist ein Prinzip, dass nicht nur die zapatistischen Autonomiegebiete betrifft.

Es ist das gleiche Prinzip auf der ganzen Welt, dass sich immer da zeigt, wo gelebte Autonomie und Widerstand in ein konsumerables Produkt umgewandelt werden. Derlei Angriffe treffen ungleich heftiger, weil sie schwieriger zu erfassen sind als der konkrete Repressionsschlag oder sonstige Angriff auf autonome Strukturen. Dabei muss es gar nicht nur der Tourismus sein, welcher dann dazu führt, dass in „Szenekneipen” plötzlich touristische Stadtteilführungen ihren Abschluss finden, weil es einfach einer von 10 angesagten Orten ist, die man mal gesehen haben muss, wenn man in der Gegend ist. Angriffe mit ähnlicher Struktur sind etwa Magazine wie die Vice oder Strg-F, die eine gelebte politische Praxis in ein Image, in ein blosses Abbild davon verwandeln, welches sich dann erst über ein konkretes soziales Verhältnis legt, um es in der Folge zu ersetzen.

Auf gleiche Weise verhält es sich mit dem Tourismus allgemein und mit dem Iren Maya im Konkreten. Gerade der Bezug auf die Maya-Kultur hatte überhaupt erst dazu geführt, dass ein zuvor kaum realisierbares Projekt fahrt aufnehmen konnte. Um seinem eigenen Bezug auf die Maya-Kultur Ausdruck zu verleihen, veranstaltete im Verbund mit lokalen Unterstützer:innen des Projekts Präsident Obrador ein altes Maya-Ritual, wo er die Natur um Erlaubnis bat, das Projekt durchführen zu lassen. Zugleich aber ist gewiss, dass ausser Souvenir-Shops von einer „authentischen“ Maya-Kultur kaum etwas übrigbleiben wird, wenn das touristische Grossprojekt ersteinmal fahrt aufgenommen hat.

Kraft bezieht der Zapatismus aus seiner Autonomie; verweigert hat er sich schon immer gegen jede Vereinnahumg, auch von links. Die Erfassung durch linke und alternative Sozialwissenschaftler:innen, die versuchen sich von aussen ein Bild von den Zapatistas zu machen, wurden und werden regelmässig zurückgewiesen.

Autonomie und Würde hängen eng zusammen, Autonomie aber bedeutet auch, sich selbst einen Begriff von der Welt zu machen, und nicht sich einem von aussen herangetragenen Bild zu entsprechen. Genau dies ist aber die Gefahr, die nun der Tourismus auf eine neue Weise mit sich bringt. Es ist ein Angriff, gegen den sich schwieriger mit Waffen zu wehren ist, als bei einem Angriff durch Militärs und Polizei, insbesondere, weil er durch den guten Willen, die gute Absicht und das Antlitz des milden Fortschritts verschleiert wird.

Die Zapatistas sind bisher nicht müde geworden zu betonen, dass sie weniger auf Unterstützung angewiesen sind, von Menschen die sich aus den wohlhabenden Ländern für sie interessieren, als darauf, dass auch dort der Kampf um Autonomie geführt wird. Der Kampf um Autonomie aber muss von uns im hier und jetzt geführt werden es ist auch ein Kampf gegen die Feinde der Autonomie.

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