Angesichts der gegen Russland eingeführten westlichen Wirtschaftsbeschränkungen ist der russische Flüssiggassektor von harten Sanktionen interessanterweise bisher verschont geblieben. Dies nutzte die LNG-Branche des Landes aus und konnte beim LNG-Export nach Europa trotz der Spannungen mit Brüssel wichtige Erfolge erzielen.

Von Alexander Männer

Wie Medien vor wenigen Wochen berichteten, gehen mittlerweile knapp die Hälfte der russischen LNG-Lieferungen in die EU-Länder, die ihrerseits zum größten Abnehmer für verflüssigtes Erdgas aus Russland avancierten und so eine der wichtigsten Einnahmequellen für Moskau sichern. Die EU hat allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres etwa sechs Milliarden Euro dafür ausgegeben hat, womit auf die Staatengemeinschaft mehr als die Hälfte der russischen Exporte entfällt.

Allerdings wäre ein derartiger Exportanstieg ohne eine massive Ausweitung der Produktion von Flüssiggas im Land nicht möglich gewesen. Nach Angaben von Rossat, dem Russischen Föderalen Dienst für staatliche Statistik, stieg die LNG-Produktion in Russland 2022 um acht Prozent auf einen Rekordwert von knapp 32 Millionen Tonnen. Laut Prognosen wird auch in diesem Jahr ein Zuwachs erwartet, und zwar von mehr als fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Bis 2030 wollen die Russen die jährliche Produktion auf 100 Millionen Tonnen steigern, was in etwa 140 Milliarden Kubikmeter Pipelinegas entspricht. Damit wären sie in der Lage, nicht nur die bestehenden Lieferungen nach Europa erheblich zu erhöhen, sondern auch neue und dringend benötigte Absatzmärkte zu erschließen. In der Perspektive könnte Russland die Vereinigten Staaten von der Position des weltgrößten LNG-Exporteurs verdrängen.

Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, müssen sowohl die bestehenden Projekte zur LNG-Produktion ausgeweitet als auch neue Projekte realisiert werden. Diesbezüglich arbeitet das russische Energieministerium unlängst an der technologischen Entwicklung der Branche und plant zudem den Bau von neuen LNG-Werken mit insgesamt 18 neuen Gasverflüssigungsanlagen.

Zum Beispiel soll eine neue Anlage mit einer jährlichen Kapazität von jeweils 6,8 Millionen Tonnen bei Murmansk im Norden des Landes entstehen. Das dazugehörige Unternehmen wurde vor Kurzem von dem russischen Energiekonzern Novatek als „Murmansk LNG“ registriert. Die Umsetzung dieses Projekts soll dabei helfen, die bestehenden Probleme in der ökonomisch eher schwach aufgestellten Region zu lösen. Wobei das Projekt nicht nur für die russische Wirtschaft von großer Bedeutung ist, sondern auch für den weltweiten Flüssiggasmarkt.

Mega-Energie-Projekt „Arctic LNG 2“

Doch das zur Zeit am meisten versprechende Vorhaben Russlands in diesem Sektor ist unbestritten das Mega-Projekt „Arctic LNG 2“, das gerade auf der Jamal-Halbinsel entsteht. Mit seiner vollständigen Umsetzung plant man, jährlich fast 20 Millionen Tonnen LNG sowie bis zu 1,6 Millionen Tonnen Gaskondensat zusätzlich zu produzieren. Ein Großteil davon soll natürlich ins Ausland exportiert werden.

Die Russen betonen zugleich, dass ihr Vorhaben gegenüber diversen US-amerikanischen oder katarischen LNG-Projekten im Vorteil sei. Diese dürften nämlich erst 2025 beziehungsweise 2027 und damit erst nach dem russischen Projekt an den Start gehen, weshalb sie ihre Lieferungen dann auf einem deutlich gesättigteren Markt zum Verkauf anbieten müssten.

Inzwischen soll der Bau einer der drei für Arctic LNG 2 vorgesehenen Verflüssigungsanlagen abgeschlossen sein, und die Anlage werde noch in diesem Jahr in Betrieb gehen, versichert man in Moskau. Mit der Inbetriebnahme der anderen beiden Anlagen in den Jahren 2024 und 2026 werde das Energie-Projekt dann vollständig realisiert, heißt es.

Entgegen den offiziellen Angaben aus Russland, wonach die Umsetzung des ebenfalls von Novatek geleiteten Vorhabens insgesamt nach Plan verläuft, behauptete die westliche Presse bisher jedoch meist das Gegenteil. Demnach stünden die Russen vor dem Problem, dass sie nur kleine Anlagen bauen könnten, obwohl für eine Ausweitung der LNG-Produktion größere Anlagen benötigt würden. Dafür fehlen nämlich die entsprechenden Technologien sowie Spezialisten fehlen, um die Produktion künftig zu gewährleisten. Normalerweise wurden solche Anlage in Russland bislang mithilfe von ausländischen Unternehmen gebaut, die ihre Tätigkeit im Land infolge der russischen Militärintervention in der Ukraine sowie der westlichen Sanktionen jedoch eingestellt haben.

Doch offenbar konnte Moskau bei der Umsetzung von Arctic LNG 2 sich von der Abhängigkeit von westlichen Unternehmen lösen und sogar einen Qualitätssprung machen, wie die Zeitung Myśl Polska behauptet. Laut ihrem Artikel „Russisches LNG wird unabhängig“ hängt dieser Erfolg vor allem mit der sogenannten „Importsubstitution“ zusammen, die die russische Führung als Antwort auf die ersten umfangreichen Sanktionen des Westens 2014 in Angriff nahm und dadurch einen technologischen Durchbruch erzielen konnte.

Demnach seien die neuen LNG-Terminals in Bezug auf ihre Leistung erstaunlich, betont die Zeitung. Diesbezüglich heißt es:“Diese Anlage ist die einzige ihrer Art. Niemandem ist es bisher gelungen, Methan in einem solchen Umfang auf Schwerkraftbasis zu verflüssigen. Die verwendete Arctic-Mix-Technologie mit großem Fassungsvermögen ermöglicht die Verarbeitung des Gases direkt auf der Plattform. Die Verladung von verflüssigtem Methan in einen Tanker bei minus 161 Grad Celsius ist die Spitze eines riesigen technologischen Eisbergs. Es handelt sich um einen riesigen Komplex von Ausrüstungen, Systemen und Verfahren, an dem Hunderte von russischen Unternehmen beteiligt sind.“

Der Zeitung zufolge bietet dieses Projekt 80 Tausend Menschen in ganz Russland Arbeit, was zweifellos der Erfolg der russischen Ingenieure und Unternehmen ist, die sich voll und ganz mit den Interessen ihres Landes identifizieren.

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