Daniela Gschweng für die Onlinezeitung Infosperber

Von 1000 zwangsweise von ihren Eltern getrennten Kindern wissen die US-Behörden bis heute nicht, wo ihre Angehörigen sind.

Bis Juni 2018 wurden im Rahmen der sogenannten Nulltoleranzstrategie (Zero Tolerance Policy) der Regierung Trump tausende Kinder an der mexikanischen Grenze von ihren Familien getrennt. Ein Viertel von ihnen haben ihre Familie noch immer nicht wiedergesehen.

Um Migranten an der südlichen Grenze abzuschrecken, hatte die Trump-Regierung zu einem ebenso inhumanen wie schlecht koordinierten Mittel gegriffen: Kinder wurden an der US-Grenze von ihren Eltern getrennt.

Familientrennung rief schon 2017 Entsetzen hervor

Die Praxis rief weltweit Entsetzen hervor. Grosses Aufsehen erregte unter anderen ein von der CNN dokumentierter Fall, in dem US-Behörden einer stillenden Mutter das Kind wegnahmen. Sprecher des Heimatministeriums bestritten, dass es den Vorfall gegeben hatte.

Was sie nicht bestreiten konnten: Tausende Kinder, die allein oder mit ihren Familien in die USA gekommen waren, wurden fremdplatziert. Bei entfernten Verwandten, Freunden der Familie, Pflegefamilien oder in Auffanglagern. Zentral dokumentiert wurde von Anfang an fast nichts.

Im April 2018 war schon alles schiefgelaufen

Der öffentliche Druck und mehrere Klagen machten der Praxis im Juni 2018 ein Ende. Familien sollten innerhalb von 30 Tagen wieder zusammengeführt werden, urteilte ein US-Gericht kurz darauf.

Ein illusorisches Vorhaben, denn da war schon alles schiefgelaufen. «Bundesbehörden haben den Überblick über fast 1500 fremdplatzierte Migrantenkinder verloren», hatte die «New York Times» schon am 26. April 2018 getitelt.

Fünf Jahre danach noch immer 1000 offene Fälle

Fünf Jahre später sind noch immer nicht alle Familien wiedervereint. Im Februar 2023 rief US-Präsident Joe Biden eine Taskforce ins Leben, die eines der dunkelsten Kapitel der Vorgängerregierung bereinigen sollte.

3923 Kinder seien unter Trump von ihren Familien getrennt worden, schätzte diese. Genau sagen konnte sie es nicht, die Dokumentation sei «bestenfalls Patchwork». Bis September ist ein Viertel dieser Kinder, also rund 1000, noch immer nicht zu ihren Eltern zurückgebracht worden.

Einige Familien befänden sich derzeit «im Wiedervereinigungsprozess», berichtet das US-Magazin «Mother Jones». Viele weitere Kinder seien über die USA verstreut. Eltern, die sich illegal in den USA aufhalten und nicht registriert sind, oder solche, die in der Zwischenzeit abgeschoben wurden, werden oft nur durch die Hilfe von Freiwilligen gefunden. Ein Viertel der betroffenen Kinder war zudem bei der erzwungenen Trennung nicht älter als fünf Jahre – einige können sich nicht erinnern, wie ihre Eltern heissen oder wo sie lebten.

Die Unterlagen verschiedener US-Behörden seien so schlecht und lückenhaft, dass schon Kinder den falschen Familien zugeordnet worden seien, sagt die American Civil Liberties Union (ACLU). Die Organisation vertritt nach eigenen Angaben «4500 bis 5000 Kinder und ihre Eltern» und zeigt sich erschüttert.

«Niemand dachte, dass es um tausende Kinder gehen würde, dass wir in so viele Länder reisen würden, um nach Familien zu suchen, oder dass es jahrelang dauern würde», sagt der stellvertretende Leiter des ACLU-Projekts für Einwandererrechte Lee Gelernt.

US-Regierung will «beschämende» Politik nicht mehr anwenden

In einer Klage, die am 16. Oktober mit einem Vergleich beigelegt wurde, war Gelernt führender Anwalt. Die US-Regierung sagte zu, die zwangsweise Trennung von Eltern und Kindern an den Grenzen in Zukunft nicht mehr anzuwenden. Geschädigten Familien wird Unterstützung wie Arbeitsbewilligungen und medizinische Hilfe zugebilligt.

Generalstaatsanwalt Merrick Garland bezeichnete die Praxis der Familientrennung an der Südwestgrenze dabei als «beschämend». Den Schaden, der den Kindern absichtlich zugefügt worden war, könne der Vergleich nicht vollständig beheben, sagt Gelernt, aber es sei ein Anfang.

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