Es ist nicht Hoffnung, die uns jetzt weiterhelfen kann. Es ist die Erkenntnis, dass das Äussere in der Welt eine Spiegelung unserer inneren Haltung ist.

Es sieht nicht gut aus. In der Welt draussen toben an allen Fronten Kriege. Der scheinbar unlösbare Konflikt zwischen Israel und Palästina hat einen neuen Höhepunkt erreicht. An vielen Orten droht der Planet, unbewohnbar zu werden. Umweltkatastrophen, Erdbeben, Überschwemmungen, dazu die Angst vor einem neuen Virus halten unsere Aufmerksamkeit gefangen.

Wo ist die Leichtigkeit? Die Sorglosigkeit? Die Freude? Die Schönheit? Wo ist das Glück, am Leben zu sein in dieser Welt? Wo ist das Lachen? Die Begeisterung für die kleinen und die grossen Dinge des Alltags? Wo ist die Zuversicht, dass nicht alles verloren ist? Ist es nicht naiv, in diesen Zeiten optimistisch zu sein, Zeiten, in denen ganz offensichtlich nicht alles gut ist, auch wenn wir uns noch so sehr danach sehnen?

Gibt es einen Grund zur Hoffnung? Oder müssen wir uns damit abfinden, dass wir die Katastrophen nicht aufhalten können? Ist nicht die Hoffnung dem Mythos nach das Einzige, was der Büchse der Pandora nicht entwichen ist? Während sich alle möglichen Arten von Übeln, Mühen, Krankheiten und Tod über die Menschheit ergossen, blieb sie unter Verschluss.

Falsche Erwartungen

Hoffnung ist trügerisch. Sie ist an Erwartungen geknüpft und von Verzweiflung geprägt. Wir erhoffen uns, dass irgendjemanden auf den letzten Drücker die rettende Lösung einfällt. Möge die Gegenseite endlich zur Einsicht kommen. Möge ein Prinz daherkommen, ein Retter sich vom Himmel schwingen. Möge eine höhere Macht eingreifen, um uns vor weiterem Unheil zu bewahren.

Indem wir die Hoffnung an etwas Äusseres binden, bleibt uns selber nur die Ohnmacht. Andere sollen sich um die Lösung unserer Probleme kümmern. Aus dieser Haltung heraus haben wir Heere von Experten auffahren lassen. Ganze Armeen haben wir aufgestellt, die für unsere Gesundheit kämpfen, unsere Sicherheit, unser vermeintliches Wohl. In allen Lebensbereichen haben sie die Verantwortung für uns übernommen. Während wir ausser über einen Bildschirm zu wischen praktisch nichts mehr können, regeln sie die Dinge an unserer statt.

So ist es nicht die Hoffnung, die uns jetzt weiterhelfen kann. Es ist die Gewissheit, dass das, was wir heute in der Welt beobachten können, in symbolischer Weise eine Spiegelung unserer inneren Haltung ist. Die Kriege draussen zeigen uns unsere innere Zerrissenheit. Die Gewalt ist ein Abbild der Härte, mit der wir uns selber begegnen. Das äussere Chaos reflektiert, wie sehr die Dinge in uns in Unordnung geraten sind.

Königsweg

Doch auch wenn wir es verlernt haben, Zusammenhänge zu erkennen, auch wenn wir unsere Welt in ihre Einzelteile zerlegt haben – die natürliche Ordnung bleibt bestehen. Wie unten, so oben, wie aussen, so innen, wie im Kleinen, so im Grossen. So besagen es die hermetischen Gesetze aus der Zeit des alten Ägyptens, die sich auch in den berühmten Worten Mahatma Gandhis wiederfinden: Sei du selbst die Veränderung, die du in der Welt sehen willst.

Demnach ist es an uns, den ersten Schritt zu tun. Anstatt unsere Aufmerksamkeit auf die Aussenwelt zu verlagern und damit unsere Schaffenskraft – das, was uns als Menschen ausmacht – einzubüssen, können wir die Ereignisse als Einladung verstehen, uns unserer Innenwelt zuzuwenden und hier Klarheit und Frieden zu schaffen. Denn sie ist die Blaupause für das, was draussen passiert.

Somit werden wir vom auf Almosen angewiesenen Bettler zum König im eigenen Reich, vom hilflosen Opfer zum Abenteurer, der sich entgegen aller Unkenrufe auf den Weg macht, in sich selbst für Ordnung zu sorgen. Auch wenn dieser Apfel sauer ist: Was haben zu verlieren als unsere eigene vermeintliche Ohnmacht?

Narr oder Weiser? 

Wer die äusseren Ereignisse aus dieser Sicht heraus begreift, hat jetzt alle Hände voll zu tun. Er hat keine Zeit mehr, auf Bildschirme zu starren, sondern wendet sich der Wirklichkeit zu, dorthin, wo er wirken kann. Wohl nimmt er wahr, was im Aussen geschieht, doch er lässt sich nicht mehr davon beugen. Wohl spürt er seine Wut, seine Angst und vielleicht auch seine Verzweiflung. Doch er überlässt ihnen nicht das Steuer.

Am Steuer sitzt die Zuversicht darüber, dass, von höherer Warte aus betrachtet, die Ordnung nicht zerstört ist. Zusammenhängend gesehen ist alles in Ordnung, so wie die Seerose, mit der der Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser einen seiner letzten Vorträge enden liess. Auch wenn in der Welt vieles in Unordnung ist – daneben existiert eine andere Realität.

Darauf dürfen wir vertrauen. Das Vertrauen finden wir, wenn wir uns erneut mit der Natur verbinden. Hier erkennen wir die natürliche Ordnung. Hier ist Wahrheit. Wenn wir ihr zuhören, erzählt sie uns von den Zyklen des Lebens, in denen nichts verlorengeht und alles immer wieder neu hervorgebracht wird. Hier sind wir geborgen, getragen vom wiegenden Rhythmus der Elemente.

Zeit für Zuversicht

Seien wir also zuversichtlich. Machen wir es wie der Narr im Tarot de Marseille. Die Hose von Hunden zerrissen, geht er mit geschnürtem Bündel pfeifend voran. Er ist gleichzeitig die erste und die letzte Karte im Spiel, Narr und Weiser zugleich. Er schert sich nicht darum, was hinter ihm passiert. Denn er weiss, dass das Erkennen des Problems bereits die Lösung in sich trägt.


Kerstin Chavent lebt in Südfrankreich. Sie schreibt Artikel, Essays und autobiographische Erzählungen. Auf Deutsch erschienen sind bisher unter anderem Die Enthüllung,  In guter Gesellschaft, Die Waffen niederlegen, Das Licht fließt dahin, wo es dunkel ist, Krankheit heilt und Was wachsen will muss Schalen abwerfen. Ihre Schwerpunkte sind der Umgang mit Krisensituationen und Krankheit und die Sensibilisierung für das schöpferische Potential im Menschen. Ihr Blog: „Bewusst: Sein im Wandel“.

Der Originalartikel kann hier besucht werden