Medien würden Russlands Propaganda entlarven, liessen sich aber von ukrainischer Propaganda blenden, sagt Christian Hardinghaus.

Urs P. Gasche für die Online-Zeitung INFOsperber

Hardinghaus promovierte über das Thema Propaganda. Er verurteilt Russlands Krieg gegen die Ukraine klar. Doch Aufgabe der Medien sei es, gegen Propaganda auf beiden Seiten auf der Hut zu sein und selbst über einen Krieg sachlich und wertfrei zu informieren. Propaganda bestehe längst nicht immer aus Lügen, sondern versuche mit einseitigen Fakten und Vermutungen und Erzählungen das Publikum für eine Sache zu überreden und zu überzeugen.

In seinem soeben veröffentlichten Buch «Kriegspropaganda und Medienmanipulation» zeigt er auf, dass grosse Medien mit der Propaganda der Ukraine «dilettantisch» umgehen und sie unkritisch verbreiten würden. Manche Journalisten hätten Angst, ausgesondert zu werden, wenn sie die Propaganda des Landes hinterfragen, das es verdient, unterstützt zu werden. Sie liessen sich von der Kriegspropaganda regelrecht blenden. Es müsse zu denken geben, wenn laut Umfrage in Deutschland 45 Prozent der Antwortenden den Medien nicht vertrauen, wenn es um den Krieg in der Ukraine geht.

In einem Tagesgespräch von Radio SRF wurde Hardinghaus konkret:

Journalistinnen und Journalisten würden zu wenig berücksichtigen, dass die Ukraine zum eigenen Nutzen Propaganda verbreite, um möglichst viele Waffen zu erhalten und die Bevölkerungen im Westen dafür zu gewinnen.

Um diese Unterstützung zu erhalten, versuche die Ukraine, den Erfolg von Waffenlieferungen zu beweisen. Die Eroberung eines Dorfes werde als grosser Etappensieg dargestellt. Die BILD-Zeitung habe sogar getitelt «Deutsche Leopardpanzer stehen an der Front». Sie glorifiziere damit die Kriegsführung.

Die Zahlen der eigenen Opfer und Schwerverletzten würden heruntergespielt und nur bruchstückhaft veröffentlicht.

Die Berichterstattung mache Medien zu Teilnehmenden des Kriegs. Beispielsweise werde nicht über einen Verteidigungskrieg der Ukraine berichtet, sondern über einen Krieg, in dem es um «Freiheit gegen Unfreiheit» oder um «Demokratien gegen Diktaturen» gehe. Aussenministerin Annalena Baerbock habe sich sogar zur Aussage hinreissen lassen: «Wir befinden uns im Krieg mit Russland».

Medien müssten hellhörig werden, meinte Hardinghaus weiter, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz bereits kurz nach dem Anschlag auf den Kachowka-Staudamm «weiss», dass es die Russen waren. Auch über die Sprengung der Pipeline Nord Stream 2 hätten grosse Medien kritische Recherchen unterlassen.

Während eines Krieges seien Recherchen für Medien schwierig machen. Aber die Medien sollten bemüht sein, möglichst sachlich zu berichten. Journalistinnen und Journalisten müssten es eigentlich gewohnt sein, dass PR-Agenturen sie beeinflussen wollen. Umso vorsichtiger müssten sie sein, wenn es um Kriegspropaganda geht.

Die Geschichte habe sie gelehrt, wie leichtsinnig sie auf Kriegspropaganda hereinfallen. Hardinghaus erinnerte die Medienschaffenden an die angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak sowie an die Brutkasten-Lüge (Eine kuwaitische «Pflegerin Najirah» sagte vor einem Menschenrechtskomitee des US-Kongresses, sie habe gesehen, wie irakische Soldaten Brutkasten-Babys die Schläuche herausrissen. Die Geschichte erfüllte den Zweck und brachte die amerikanische Öffentlichkeit hinter die Regierung, weil Medien die Geschichte mit grossen Schlagzeilen verbreiteten. Später wurde die Aussage als eine Erfindung der PR-Agentur Hill & Knowlton entlarvt. Die angebliche Pflegerin war in Wahrheit die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA und Mitglied der Herrscherfamilie in Kuwait.)

Zum Dilettantismus zählt Hardinghaus auch den Unwillen, über die jeweilige Sicht Russlands zu informieren. Es würden sämtliche Aussagen vorschnell als unglaubwürdig hingestellt.

Klare Position von Infosperber

upg. Der Angriffskrieg Russlands und die Kriegsverbrechen sind ein krasser Verstoss gegen das Völkerrecht. Sie sind mit nichts zu rechtfertigen. Das UNO-Recht auf Selbstverteidigung gemäss Artikel 51 der UNO-Charta setzt einen bewaffneten Angriff voraus. Von einem solchen war Russland nicht betroffen. Die Ukrainerinnen und Ukrainer verdienen Mitgefühl und Unterstützung.

Trotzdem sollte es nicht die Rolle der Medien sein, sich der Propaganda der Ukraine und der NATO anzuschliessen. Ihre Aufgabe bleibt eine sachlich formulierte und möglichst wahrheitsgetreue Information. Allerdings bleiben die Auswahl von Fakten und deren Gewichtung stets auch subjektiv. In einem Krieg, der immer auch ein gegenseitiger Krieg der Propaganda ist, ist das Beurteilen von Quellen, Fakten und Gewichtung besonders herausfordernd.

Zahlreiche Faktencheckstellen und -organisationen leisten gute Dienste im Aufdecken von russischer Propaganda. Aussagen und Darstellungen der Ukraine und der NATO-Staaten werden jedoch nur selten hinterfragt. Das hängt meistens mit der Finanzierung dieser Faktenchecker zusammen.

Infosperber will grosse Medien ergänzen und bietet nicht die ganze Breite an Informationen. Wir setzen voraus, dass unsere Leserinnen und Leser die wichtigsten Informationen, Darstellungen und Meinungen aus grossen Medien kennen. Unsere sachlich präsentierte Dokumentation von Sichtweisen, über die grosse Medien wenig informieren, soll dazu beitragen, die Komplexität des Geschehens besser zu erfassen.