Das werde Russland vom Atomwaffeneinsatz abschrecken, meint das von Rüstungskonzernen mitfinanzierte American Enterprise Institute.

Urs P. Gasche für die Online-Zeitung INFOsperber 

Das American Enterprise Institute AEI schlug am 9. Juni 2023 vor, dass die USA der Ukraine taktische Atomwaffen zur Verfügung stellen sollen, um Russland davon abzuschrecken, selber taktische Atomwaffen einzusetzen. Das Quincy Institute in Washington jedoch warnt, dies könne «leicht zu einem totalen Atomkrieg eskalieren».

Das auch von Waffenkonzernen finanziell unterstützte «American Enterprise Institute»: Die USA sollen der Ukraine taktische Atomwaffen liefern, um Russland vom Einsatz von Atomwaffen abzuschrecken. © AEI

Viele Think-Tanks wie das American Enterprise Institute (AEI) geben ihre Geldgeber höchstens intransparent bekannt. Sie nennen sich «unabhängig», doch sie scheuen Transparenz. Das AEI wird von Unternehmen und Stiftungen finanziert, von denen einige Geld vom militärisch-industriellen Komplex erhalten. Es überrascht deshalb nicht, dass das AEI den Vorschlag machte, der Ukraine taktische Atomwaffen zur Verfügung zu stellen. Prominentes Mitglied des AEI ist der neokonservative Richard Perle.

Think-Tanks und deren Experten haben einen grossen Einfluss auf die Medien. Die Geldgeber der Think-Tanks können deren Analysen und Kommentare beeinflussen. Doch selten machen Medien transparent, welche Interessengruppen die zitierten «unabhängigen» Think-Tanks finanzieren.
Das Quincy Institute, welches über die US-Aussenpolitik forscht und publiziert, listet alle Spender auf, die mehr als 5000 Dollar zahlen. Unter den beitragenden Stiftungen sind nach eigenen Angaben keine, die Geld vom militärisch-industriellen Komplex erhalten.

Praktisch alle der meist zitierten Think-Tanks nehmen Geld des militärisch-industriellen Komplexes

Das Quincy Institute hat in den elf Monaten vom 1. März 2022 bis 31. Januar 2023 untersucht, welche Think-Tanks die drei grossen US-Zeitungen «New York Times», «Washington Post» und «Wall Street Journal» in ihren Berichten über die Ukraine am meisten als Quelle zitierten. Unter den 15 am meisten zitierten Think-Tanks befand sich lediglich die NGO «Human Rights Watch», welche kein Geld vom militärisch-industriellen Komplex annimmt.

Wenn es beispielsweise um die Analyse des Geschehens und der Risiken in der Ukraine sowie um Waffenlieferungen der USA an die Ukraine geht, wäre es beim Zitieren von Think-Tanks und deren Exponenten wegen möglicher Interessenkonflikte wichtig, allfällige Geldgeber des US-Verteidigungsministeriums und des militärisch-industriellen Komplexes transparent zu machen.

«Trotz des sehr realen Risikos, dass eine Eskalation zu einer direkten militärischen Beteiligung der USA an dem Krieg führen könnte, haben nur wenige Think-Tanks die rekordverdächtige Summe an US-Militärhilfe kritisch unter die Lupe genommen», stellt das Quincy Institut fest. Die Analyse zeige, dass die allermeisten Erwähnungen in Artikeln über US-Waffen und über den Ukraine-Krieg «von Denkfabriken stammen, deren Geldgeber unter anderen das US-Verteidigungsministerium und Waffenverkäufer sind, die in vielen Fällen direkt davon profitieren, wenn sich die USA am Ukraine-Krieg möglichst stark beteiligen».

Fazit: Die drei grossen US-Zeitungen hätten sich im untersuchten Zeitraum «unverhältnismässig stark auf Kommentare von Think-Tanks gestützt, die vom Verteidigungssektor finanziert werden».

Die von den drei grossen Zeitungen meist zitierten Think-Tanks:

Linke Kolonne: Zahl von Nennungen in den drei grossen US-Zeitungen. Rechte Kolonne: Geld auch vom US-Verteidigungsministerium. © Quincy Institute

«Denkfabriken mit finanziellen Verbindungen zur Rüstungsindustrie unterstützen oft eine Politik, die der Rüstungsindustrie zugutekommt», heisst es im Bericht. So sprach sich beispielsweise ein Artikel des Atlantic Council (6.2.23) gegen «jeden Kompromiss mit dem Kreml» aus, während ein anderer mit dem Titel «Gerechtigkeit für die Ukraine» (16.1.23) argumentierte, die Ukraine habe «das Recht, kritische Infrastruktur in Russland zu zerstören und Moskau und andere Städte in Dunkelheit zu tauchen».

Anfang 2023 wurde der Präsident des American Enterprise Institute – mit 101 Erwähnungen der fünftplatzierte auf der Liste – mehrfach im «Wall Street Journal zitiert» (z.B. 20.1.23, 25.1.23), als dieser argumentierte, dass «Panzer und gepanzerte Mannschaftstransporter unverzichtbar sind», und dass eine Zustimmung zur Lieferung dieser Fahrzeuge «die Ukraine wissen lässt, dass sie es sich leisten kann, mehr von ihrem derzeitigen Panzerarsenal für Gegenoffensiven zu riskieren und zu verbrauchen, weil sie sich darauf verlassen kann, dass sie Ersatz für diese Fahrzeuge bekommt».

Das American Enterprise Institute AEI schlug am 9. Juni 2023 sogar vor, dass die USA der Ukraine taktische Atomwaffen zur Verfügung stellen sollen (siehe oben). Das könne leicht zu einem totalen Atomkrieg ausarten, warnt das Quincy Institute.

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➔ Hier zum vollständigen Bericht des Quincy Institutes vom 1. Juni 2023 auf Englisch.