Gelassenheit ist eine Tugend. Auch, doch nicht nur. Bewegen wir uns feiner und nuancierter in den inneren Ton der Gelassenheit, so offenbart sich uns ein wundersames Konzert. Vielschichtige Klänge werden hörbar. Sanfte Strömungen erkennbar. Ein heiteres Schweben umflort das Jetzt. Eine Musik der Stille; paradox.

Gelassenheit ist ein Bewusstseins-Zustand. Ein erstrebenswerter. Ein rarer. Kommt er mit dem Alter? Möglicherweise – doch keineswegs gewiss. Alter ist ja kein Verdienst. Wir werden älter, ganz von alleine, doch wir werden keineswegs weiser, ganz von alleine.

Folgen wir der sprachlichen Quelle des Wortes ‚Gelassenheit‘, so landen wir im Mittelhochdeutschen. Dort zeigt sich der Begriff Gelassenheit als Gottergebenheit. Unsere Ahnen meinten damit, sich dem hinzugeben, was das Leben schenkt und was der Moment gibt. Das führt auf eine sehr unaufgeregte Art zu einem ruhigen, maßvollen, bedächtigen Leben. Besinnlich. Abgeklärt.

Gelassenheit geht somit einher mit Geduld, Gleichgewicht, dem rechten Maß und? Und mit Akzeptanz. Akzeptanz ist ein weiser, höchst erstrebenswerter Bewusstseins-Zustand, dessen Tiefe bei oberflächlicher Betrachtung leicht übersehen werden kann. Denn Akzeptanz ist das ‚Große JA‘. Ein aus der inneren Quelle sprudelndes JA. Ja-So. Ja-Hier. Ja-Jetzt. Ja zu dem, was ohnehin ist.

Am schwierigsten dürfte zu verstehen sein, dass Gelassenheit ein wahlloser Zustand ist. Wir sind es aus unserer sozialen Codierung gewöhnt, schnell und permanent zu wählen. Entscheidungen zu treffen. Doch das verborgene Geheimnis der Gelassenheit liegt in der Wahllosigkeit. Das führt zu der überaus raren, geduldigen Kunst, die Dinge sich entwickeln zu lassen – ohne einzugreifen. Dem Lauf der Dinge – gelassen – zu folgen wie dem Lauf des Wassers, wie dem verschlungenen Lauf eines Flusses, der dem Meer zustrebt.

Daher nochmals: Gelassenheit ist ein Bewusstseins-Zustand. Ob dieser erstrebenswert ist? Die Antwort kennt das Herz.

Ein Blick in die Philosophie

Wir begegnen bei Platon dem Begriff der „besonnenen Gelassenheit“ – was an sich ein Pleonasmus ist. Denn Gelassenheit muss besonnen sein, wie ein Kreis eben rund ist. Kein Mensch kann gestresst und aufgewühlt gelassen sein.

Die Stoiker haben die Tugend der Gelassenheit zum Kern ihrer Philosophie gemacht. Aus dieser Gelassenheit strömt die „stoische Ruhe“. Die Schatten dieser stoischen Gelassenheit sind Stumpfheit, Trägheit und Gleichgültigkeit im Sinne von Fatalismus.

Tiefgründig hat der christliche Mystiker Meister Eckhart gesagt: „Man muss erst lassen können, um gelassen zu sein.“ Wie wahr.

In der buddhistischen Philosophie ist Gelassenheit eine der vier „grenzenlosen Geisteszustände.“ Wie erhaben.

Mit einem Blick in die Philosophie des Yoga schließen wir diesen kleinen Exkurs. Im Yoga erscheint uns der Begriff der Gelassenheit in der Bedeutung der Ausgeglichenheit. Bei Patanjali in den Yoga-Sutren als „innere Stille“. Hier lesen wir: „Wir können unser wahres Selbst nur in der inneren Stille erkennen.“

Zufriedenheit

Das Wunder der Zufriedenheit zeigt sich als ein Herabsinken. Aus dem Zustand innerer Stille formt sich der See der Gelassenheit. Und einem hellen, lichtdurchwehten Nebel gleich senkt sich das Wunder der Zufriedenheit in unser Gemüt. Zufriedenheit ist der Zwillingsfluss der Gelassenheit. Eines bedingt das andere und – je nach dem, wie der Ansatz ist – können wir den Weg der Gelassenheit wählen, und die Zufriedenheit kommt – oder wir lassen uns in die innere Zufriedenheit fallen, was in uns den Ton der Gelassenheit erklingen lässt.

Gelassenheit ruft Zufriedenheit hervor und Zufriedenheit gründet in Gelassenheit. Oder umgekehrt. Ganz wie man es will.