Mir ist bewusst, dass einige Artikel, die ich im Laufe letzten anderthalb Jahre geschrieben habe, für einige Leser schwer zu verdauen waren. Ich verstehe das. Das Schreiben dieser Artikel war auch für mich selbst eine große Herausforderung und ich möchte niemanden verärgern. Dennoch hatte ich das starke Bedürfnis das mitzuteilen, was ich erfahren habe, wie unangenehm es auch sein mag.

Auch, was die Führung des Landes, in dem ich lebe und das ich liebe, hinter dem Schleier dessen, was die westlichen Konzernmedien berichten dürfen und/oder sollen, (wirklich) vorhat. Ich hoffe aufrichtig, dass diese Reihe von Artikeln, die sich hauptsächlich auf die vielen Facetten der Katastrophe konzentriert, die sich in der Ukraine immer noch abspielt, in irgendeiner Weise hilfreich für Sie gewesen ist.

Die Opferung der Ukraine durch die USA

Am 4. März 2022, also vor fast siebzehn Monaten, schrieb ich einen Artikel für Pressenza mit dem Titel „Die USA und die NATO opfern die Ukraine“. In diesem Artikel hieß es: „Indem sie die Ukraine in den letzten Jahren mit Waffen überhäuften (was die USA im Konflikt zwischen Russland und Georgien 2008 taten) und die ständigen Bitten Russlands ablehnten, die NATO möge ihren Plan, die Ukraine zu integrieren, fallen lassen, wurde eine extrem instabile und äußerst gefährliche Situation geschaffen. Eine Situation, die im Grunde darauf hinausläuft, dass die Menschen in der Ukraine geopfert werden.“ Man kann sagen, dass die ersten Anzeichen des Krieges, eigentlich schon im Jahr 2014 begonnen hatten, als die Krim von Russland annektiert wurde. (1)

Nach einem ersten gescheiterten Versuch, durch eine kleinere Invasion Ende Februar 2022 Verhandlungen auszulösen, ging Russland zu einer groß angelegten Invasion über, mit dem Ziel, die ukrainische Region Donbas einzunehmen und das ukrainische Militär zu neutralisieren. Dies war ein Schritt, den Russland eigentlich vermeiden wollte, entgegen dem, was die westlichen Medien zu diesem Zeitpunkt berichteten. Tatsächlich wurde etwa einen Monat nachdem der Krieg begonnen hatte, ein Friedensabkommen zwischen Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj in Istanbul unterzeichnet. (2) Dieses Abkommen hätte den Krieg im März 2022 beenden können.

Stattdessen wiesen die USA und NATO Selenskyj an, das Abkommen nicht einzuhalten und versprachen der Ukraine die volle Unterstützung des Westens. Voraussetzung war, dass die Ukraine weiterkämpft und alle Versuche ablehnt, mit Russland über eine Einigung zu verhandeln, bis der „totale Sieg“ errungen ist. (3) Leider haben die USA und ihre NATO-Verbündeten den fehlgeschlagenen Erstschlag Russlands als Zeichen der Schwäche missverstanden. Sie sahen darin eine Gelegenheit, die russische Wirtschaft durch Sanktionen zu schwächen, während das von der NATO ausgebildete ukrainische Militär als ihre Stellvertreterarmee fungierte.

Was in der Ukraine geschehen ist

Die Anerkennung der oben genannten Fakten entschuldigt nicht den bereits angerichteten Schaden von Wladimir Putin und Russland, den sie in der Ukraine seit Beginn ihrer Invasion im Februar 2022 angerichtet haben. Was die Anerkennung dieser Fakten deutlich macht, sind die wahren Gründe der Biden-Administration, diesen Krieg zu provozieren und unerbittlich auf seine Eskalation zu drängen, sobald er in Gang gekommen ist. Die USA hatte nie ein humanitäres Ziel. Ihr Plan beinhaltete von Anfang an, die militärische Stärke der Ukraine so zu nutzen, um Russland Schaden zuzufügen und sich damit den höchstmöglichen finanziellen Gewinn zu verschaffen.

Das Ergebnis ist nun, dass die Ukraine den größten Teil der letzten anderthalb Jahre damit verbracht hat, in einer Schlacht, in der sie waffentechnisch und zahlenmäßig völlig unterlegen war, massive Verluste, die in die Hunderttausende von Menschenleben gingen, zu erleiden. (4) Innerhalb der ersten drei Wochen der aktuellen Gegenoffensive der Ukraine wurde klar, zumindest für diejenigen, die sich weniger auf Mainstream-Medien konzentrierten, dass die Ukraine keine Chance auf einen Sieg gegen Russland hat. Tatsächlich hat die Hälfte der ukrainische Armee nach anderthalb Monaten in ihrer Gegenoffensive noch keinen nennenswerten Vorstoß entlang der militärischen Kontaktlinie gemacht. Die ukrainischen Streitkräfte sind noch nicht einmal bis zur ersten der drei stark geschützten russischen Verteidigungsblockaden vorgedrungen. Alle Kämpfe in dieser Gegenoffensive fanden bisher in der „Grauzone“ statt, die sich zwischen der ukrainischen Armee und der ersten russischen Befestigungslinie erstreckt.

In der Zwischenzeit haben die Gewinne der US-amerikanischen Waffenindustrie in den letzten anderthalb Jahren rekordverdächtige Höhen erreicht. (5) Was das Versprechen der Biden-Regierung angeht, Selenskyj und die Ukraine bis zum „totalen Sieg“ zu unterstützen, so wird immer deutlicher, dass die USA und die NATO nicht in der Lage sind, ein solches Versprechen zu erfüllen. Ungeachtet der massiven Gewinne, die Waffenhersteller wie Raytheon und Lockheed Martin in den letzten anderthalb Jahren erzielt haben. Präsident Biden hat kürzlich öffentlich zugegeben, dass der USA nun die Munition ausginge. In der Zwischenzeit bleibt die russische Waffen- und Munitionsproduktion auf einem Niveau, an das die NATO bis 2025 nicht herankommen wird. (6) Das wirft die Frage auf: Was wird bis dahin von der kampffähigen Bevölkerung der Ukraine übrig sein?

Die USA opfern Europa

Im Sommer 2022 war deutlich geworden, dass die militärischen Fähigkeiten Russlands beachtlich waren. Berichte über eine große Anzahl ukrainischer Todesopfer sickerten allmählich am Rande der Berichterstattungen der westlichen Medien durch. Die anfängliche Zuversicht und die Gewissheit eines ukrainischen Sieges begannen zu verebben, als sich Berichte über die Unsicherheit des Ausgangs verbreiteten.

Am 22. September 2022 wurde die Nord Stream 2-Pipeline gesprengt. Diese Pipeline ermöglichte es Europa, preisgünstiges Gas aus Russland zu beziehen. Am 7. Februar 2022 sagte US-Präsident Joe Biden „zufälligerweise“ dazu: „wenn Russland einmarschiert, wird es keine Nord Stream 2 Pipeline mehr geben. Wir werden dem ein Ende setzen.“ (7) Es existiert auch ein ausführlicher Bericht des mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Reporters Seymour Hersh darüber, in dem genau beschrieben wird, wie die USA die Pipeline mit Hilfe Norwegens gesprengt haben. (8)

Die Zerstörung der Pipeline machte Europa von den USA abhängig und beendete die Möglichkeit, sich wieder an Russland zu wenden, um sich mit Gas zu versorgen. Das Ergebnis war ein enormer Anstieg der Energiepreise in ganz Europa, der zu einer massiven Inflation führte und einen großen Teil Europas in die Rezession stürzte. (9)

Unter keinen Umständen würde Bidens Regierung zulassen, dass Europa, das in den letzten zwanzig bis dreißig Jahren größtenteils zu einem Vasallen der USA geworden ist, sich aus diesem Krieg zurückzieht. Selbst wenn sie dafür ihre Wirtschaft zerstören und viele ihrer Bürger der Gefahr aussetzen müssten, im kommenden Winter zu erfrieren.

Die Selbstopferung der USA

  1. Keiner der Kriege oder Besetzungen, die die Vereinigten Staaten im 21. Jahrhundert angezettelt haben und/oder an denen sie beteiligt waren, wurde für humanitären Zwecken geführt. Zu diesen Kriegen und/oder Besetzungen gehören die Kriege gegen den Irak, Afghanistan, Jemen, Syrien und Libyen. Alle Konflikte, an denen die USA im 21. Jahrhundert teilgenommen haben, waren Imperium ausbreitende, profitorientierte Unternehmungen, einschließlich des aktuellen Stellvertreterkriegs in der Ukraine.
  2. Jeder Krieg und jede Besetzung, die die USA im 21. Jahrhundert angezettelt haben oder an denen sie beteiligt waren, waren ein massiver Misserfolg. Jedes dieser Kriege hat zu Zerstörung und Tod von Millionen von Menschen in jenen Ländern geführt, in denen sich die USA eingemischt hat. Auch in denen, die USA angeblich helfen wollte. Ebenso wenig konnte irgendeine Besetzung und/oder eines der Kriege einen positiven Nutzen für die überwiegende Mehrheit des US-Bürger bringen.
  3. Die Ideologie der Neokonservativen, die derzeit von der Regierung Biden und der früheren Regierung Bush Jr. vertreten wird, ist die vorherrschende außenpolitische Ideologie in den USA im 21. Jahrhundert. Es ist eine Ideologie, die von der Überzeugung geprägt ist, dass die gesamte Welt gezähmt und/oder zur neoliberalen Lebensweise bekehrt werden muss. Ebenso ist es eine Ideologie, welche Diplomatie zugunsten von Tyrannei und militärischer Überlegenheit schamlos verschmäht. Jene ideologische Methode der Außenpolitik wird Dank der Vorläufer wie Donald Rumsfeld, Dick Cheney, George Bush Jr. Und Hillary Clinton weitergeführt.

Die Ideologie der Neokonservativen ist parteiübergreifend und wird von der Mehrheit der Politiker der beiden großen US-Parteien vertreten. Sowohl die demokratische als auch die republikanische Partei sind jetzt vollständig ihren ultrareichen neokonservativen Geldgebern untergeordnet, die von allen oben genannten US-Konflikten des 21. Jahrhunderts immens profitiert haben.

Die allgemeine Arbeitsweise der Neokonservativen besteht darin, verdeckt fremde Nationen zu infiltrieren. Dann schüren sie Konflikte in diesen Ländern, die dazu führen, dass die USA Regierungsbeamte einsetzen, die vom militärisch-industriellen Komplex der USA wirtschaftlich subventioniert werden und daher diesem verpflichtet sind. Das ist der eigentliche Zweck, der über 750 US-Militärstützpunkte, die auf allen Kontinenten verteilt sind. (10)

  1. Schon länger genießen die USA bei den meisten Nationen der Welt kein hohes Ansehen oder Vertrauen mehr. Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist aus den oben genannten Gründen in Dutzenden von Ländern, die die USA früher bewundert haben, der Wunsch entstanden, sich von dessen wirtschaftlichen und militärischen Vorherrschaft zu lösen. Beschleunigt wurde dies unter anderem auch durch die globalen Auswirkungen des derzeitigen US-Stellvertreterkriegs in der Ukraine. (11) Gerade die Leidtragenden aus anderen Ländern sehen nun, dass das zentrale Ziel der US-Führung des 21. Jahrhunderts die Bereicherung ihrer reichsten Bürger auf Kosten der eigenen Mittelschicht und der Armen sowie auf Kosten der übrigen Nationen der Welt war.

Die Mehrheit der Weltbevölkerung hat mittlerweile erkannt, dass die USA, indem sie sowohl ihre Verbündete als auch ihre Feinde geopfert hat, ungewollt auch sich selbst geopfert haben.

Das können wir besser

Das können wir definitiv besser. Es bleibt noch Zeit, das Schiff in eine Richtung zu steuern, welches einen unnötig großen Schiffbruch verhindert. In künftigen Artikeln werde ich mich damit befassen, die individualen und kollektiven Änderungen unserer Zeit näher zu betrachten.

Ukraine Konflikt Updates

https://www.understandingwar.org/backgrounder/ukraine-conflict-updates
https://www.usip.org/current-situation-ukraine
https://www.politico.com/latest-news-updates/2022/03/russia-war-on-ukraine-2022-202203/

Quellen des Autors

1- https://en.wikipedia.org/wiki/War_in_Donbas_(2014%E2%80%932022)
2- https://www.livemint.com/news/world/putin-publicly-shows-draft-of-peace-treaty-signed-by-russia-ukraine-in-2022-watch-11687136116863.html
3- https://www.theguardian.com/commentisfree/2022/jun/09/west-victory-in-ukraine-escalation-war
4- https://www.theguardian.com/world/2022/jun/10/were-almost-out-of-ammunition-and-relying-on-western-arms-says-ukraine
5- https://www.reuters.com/world/us/us-arms-exports-up-11-fiscal-2022-official-says-2023-01-25/
6- https://www.cnn.com/2023/02/17/politics/us-weapons-factories-ukraine-ammunition/index.html
7- https://www.nbcnews.com/politics/biden-meet-german-chancellor-russia-ukraine-tesnions-rcna15190
8- https://www.brusselstimes.com/446104/deconstructing-the-obvious-seymour-hersh-on-why-the-us-blew-up-nord-stream
9- https://www.theguardian.com/business/2023/jun/08/eurozone-sinks-into-recession-as-cost-of-living-crisis-takes-toll
10- https://www.thesoldiersproject.org/how-many-us-military-bases-are-there-in-the-world/
11- https://moderndiplomacy.eu/2023/05/24/more-than-30-countries-want-to-join-the-brics/

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Sabine Prizigoda vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!