Seishi Hinada ist ein Mitglied des National Executive Committee von ZENKO (Nationalversammlung für Frieden und Demokratie). ZENKO entstand im Jahr 1970 aus der Studentenbewegung in den 60ern. Hinada trat der ZENKO als studentischer Aktivist bei der Anti Atom-Friedensbewegung von Hiroshima bei. Dae-Han Song und Michael McGrath vom International Strategy Center führten ein Onlineinterview mit Seishi. Das Interview wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und bearbeitet.

Von Dae-Han Song und Michael McGrath

Wir beginnen mit einer Kurzfassung der Hintergrundgeschichte über Japan nach dem 2. Weltkrieg. Laut Seishi ist die Akzeptanz der 55.000 US-Soldaten in Japan durch die japanische Öffentlichkeit trotz der Kriegszerstörungen, die die Vereinigten Staaten Japan zugefügt haben, auf einen Kompromiss aus der Kriegszeit zurückzuführen: Im Gegenzug für die Annahme der Friedensverfassung und den Verzicht von Krieg und militärischer Gewalt würden die Vereinigten Staaten Japan und den Kaiser Hirohito von Kriegsverbrechen (wie z.B: die Kolonialisierung Koreas, die Invasion Chinas und anderer asiatischer Länder) freisprechen. Ebenso würde die Vereinigten Staaten von Japan zu den Atombombenwürfen auf Hiroshima und Nagasaki freigesprochen werden. Der Anstoß zu dieser Absprache „war Japan zu einem antikommunistischen Bollwerk gegen die damalige UdSSR zu machen.“ Laut Seishi „hat diese komplizierte Allianz zwischen den beiden Ländern dazu geführt, dass die japanische Gesellschaft kein Gespür für die Verantwortung des Krieges und eine mangelnde Bereitschaft hat, die Verantwortung der USA zu verfolgen.“ Daher ist ein Großteil der japanischen Gesellschaft „äußerst nachsichtig mit der Existenz von US-Militärstützpunkten in Japan.“ Ausgenommen derjenigen, die direkt von den Verbrechen betroffen waren, wie z.B. die Bewohner von Okinawa.

International Strategy Center (ISC): Die USA führen einen neuen Kalten Krieg gegen China und eine der Schlüsselkomponenten ihrer Militärstrategie ist das trilaterale Militärbündnis zwischen den USA, Japan und Südkorea. Der Premierminister Fumio Kishida hat versprochen, den japanischen Militärhaushalt in den nächsten 5 Jahren finanziell um 50% zu erhöhen. Was denkt die japanische Gesellschaft über diese Re-Militarisierung in Japan?

Seishi: Die japanische Regierung nutzt den Krieg in der Ukraine und Nordkoreas Raketenstart, um die Gesellschaft für ihre Politik der massiven militärischen Aufrüstung und des Erwerbs von Fähigkeiten zum Angriff auf ausländische Stützpunkte zu gewinnen. Die militärische Aufrüstung der japanischen Regierung scheint die Gesellschaft zu unterstützen, aber es gibt auch Schwachpunkte. Wenn es um eine Steuererhöhung aufgrund der militärischen Expansion geht, wird die Zustimmungsquote sinken. Kishida kann also nicht transparent über die Steuererhöhung sprechen. Die einzige Möglichkeit, die ihm bleibt, ist die Investitionen in allen anderen Bereichen zu kürzen: Soziales, Gesundheitsfürsorge, Bildung und ähnliches. Hinzu kommt, dass die japanische Bevölkerung sich schneller schrumpft als erwartet. Daher wird die Regierung aufgefordert, auch in diesem Bereich drastische Maßnahmen zu ergreifen. Aber auch das kann sie nicht finanzieren, weil sie einen großen Anteil der Investitionen für militärische Ausgaben aufwenden. Durch das Aufdecken dieser Widersprüche werden mehr Menschen die Notwendigkeit erkennen, die Politik der Militärbündnisse und der militärischen Aufrüstung von friedlichem Dialog und Abrüstung radikal zu verändern. Das Bewusstsein der breiten Gesellschaft ändert sich. Kishidas Rückhalt ist nicht mehr so stark.

ISC: ZENKO kämpft gegen die US-Militärbasis in Okinawa. Was ist der Grund für diese Kampagne? Warum ist ZENKO gegen die Remilitarisierung Japans? Welche Rolle spielt die internationale Solidarität in diesem Kampf?

Seishi: 1987 hielt ZENKO ihre Jahresversammlung in Okinawa ab. Die Mitglieder besuchten Okinawa und trafen Überlebende der Schlacht. Wir erfuhren, dass das Militär die Zivilbevölkerung nicht schützen wird. Wir trafen auch die starke Anti-Stützpunktbewegung in Okinawa, die wir auf dem japanischen Festland nicht antreffen konnten. Seitdem stehen wir zu den Kämpfen der Inselbewohner von Okinawa solidarisch.

Die Organisation „No More Battle of Okinawa“ wurde vor einigen Jahren gegründet. Aktivisten aus Okinawa hielten es damals für notwendig die Militarisierung und Befestigung der Okinawa Inseln zu stoppen. Die USA und Japan sprechen jetzt viel über den Taiwan Notstand. Wobei Raketen und Kriegsmaschinen auf der Insel Okinawa stationiert sind. Der Slogan „No More Battle of Okinawa“ (Keine Schlachten mehr um Okinawa) spiegelt ein Verständnis für diese Kriegskrise wider. Sie organisieren eine Präfektur übergreifende Organisation, die sich gegen die Militarisierung Okinawas wendet und durch den Dialog mit den Menschen in den umliegenden Gebieten wie Taiwan, China und Korea diplomattische Bemühungen für den Frieden fördert.

ISC: Auf der aktuellen internationalen Friedenskonferenz wurde deutlich, dass Japan zwar von der militärischen Stärke der USA abhängig ist, aber auch eine führende Rolle in der Region spielt. Insbesondere der ehemalige Premierminister Abe spielte eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Konzepts eines freien und offenen Indopazifiks. Welche Vision hat die derzeitige Kishida Regierung für Japan in der Region?

Seishi: Im Grunde genommen folgt Kishida dem von Abe eingeschlagenen Weg. Einige Stimmen betonen, dass Japan militärisch, wirtschaftlich oder politisch immer noch von den USA abhängig und in gewisser Weise eine Kolonie der USA ist. Wir sollten aber Japans Motivation nicht übersehen, eine militärische Weltmacht zu werden. Japan hat bereits einen Militärstützpunkt in Dschibuti errichtet, in Zusammenarbeit mit den USA und Südkorea. Japan will sein Militär aufrüsten, um seine Interessen um den Globus zu schützen. Darüber hinaus streicht Kishida die Kriegsentschädigung von der Tagesordnung und drängt den Opfern des Koreakrieges eine Scheinlösung auf. Wir müssen sehr vorsichtig sein mit dem, was wir von Kishida jetzt sehen.

ISC: Welche alternative Vision hat ZENKO für Japan in dieser Region?

Seishi: Erstens sollte sich Japan offiziell bei den Opfern des Krieges entschuldigen und sie entschädigen, einschließlich der Opfer sexueller Sklaverei während des Krieges und der koreanischen Arbeiter, die von Japan zwangsmobilisiert wurden. Zweitens sollte sich Japan an multilateralen Gesprächen, wie den Sechs-Parteien-Gesprächen, um die konfliktbezogenen Fragen durch Diplomatie und Dialog zu lösen. ZENKO wird diese Richtung von der Basis aus unterstützen. Schließlich sollten wir die internationale Solidaritätsarbeit unter den Völkern der betroffenen Länder ausbauen und unsere Stimme gegen Militarisierung und die Rhetorik des neuen Kalten Krieges erheben. ZENKO hat sich in den letzten zwei bis drei Jahren aktiv an der internationalen Solidaritätsarbeit beteiligt und plant, diese Aktivitäten fortzusetzen.

Dieser Artikel wurde von Globetrotter erstellt. Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Ramsha Tabraiz  vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!


Dae-Han Song leitet das Netzwerkteam im International Strategy Center und ist Teil des Kollektivs No Cold War.
Michael McGrath ist freier Journalist, lebt in Seoul und ist Mitglied des International Strategy Center.