Der Kompass steht! Bundesaußenminister Maas, mit dem sein Amtskollege Lawrow nicht einmal mehr spricht, forderte, dass Europa gegenüber Russland Muskeln zeigt. Stoltenberg, der NATO-Generalsekretär, stellte fest, dass Gespräche mit Russland keine Verbesserung des Verhältnisses bewirken und Cem Özdemir, seinerseits ebenfalls voll auf Kurs, kam zu der Erkenntnis, dass das verschlechterte Bild seiner Partei im Internet auf Aktivitäten russischer Trolle zurückzuführen sei. Letzteres ist eine wunderbare Erklärung, wenn es mit dem grünen Höhenflug doch nicht so klappt wie erhofft.

Parteiübergreifend hat sich anscheinend die Erkenntnis durchgesetzt, dass die eigene, wachsende internationale Isolation wie die sich manifestierenden inneren Krisen nur eine Ursache haben: Russland ist die Erklärung für alles.

Es ist müßig, auf die einzelnen Anlässe einzugehen, denn die Entschlüsselung der jeweiligen Virulenzen führt zu keiner Besserung. Liest man die einzelnen Äußerungen im Kompendium, dann liegt nur ein Schluss auf der Hand: Die Verhältnisse in Russland müssen geändert werden, und zwar nicht durch diplomatische Verhandlungen und kooperative Beziehungen, sondern durch massive, letztendlich militärische Konfrontation.

Das ist, betrachtet man eine bestimmte Fraktion innerhalb der US-amerikanischen Administration, eine sehr zufriedenstellende Entwicklung, nur nützt sie weder Deutschland noch Europa. Sollte es zu einer heißen Konfrontation kommen, wird es nur verbrannte Erde geben. Von der Norddeutschen Tiefebene bis nach Kamtschatka. Welche Werte dann über die verqualmten und verseuchten Ebenen schweben, ist letztendlich unerheblich, denn genießen wird sie niemand mehr.

Circulus vitiosus

In Russland, so ganz nebenbei, werden sich die Verhältnisse in nicht ganz so ferner Zeit verändern. Auch der dortige Präsident, der nach gemeinsamem Vernehmen hinter jeder Panne im Westen persönlich zu stecken scheint, ist ein biologisches Wesen, das wie wir alle ein Verfallsdatum trägt. Entscheidender ist da wohl der Wille der in Russland lebenden Völker. Und ob diese sich mit Verhältnissen anfreunden würden, wie sie im Westen zelebriert werden, ist letztendlich fraglich.

Auch wenn der globalisierte Supermarkt den Anschein erweckt, als seien die Bedürfnisse der Menschen auf der ganzen Welt gleich: Alle Länder haben ihre eigene Geschichte, ihre eigene Kultur und ihre eigenen Werte.

Wer den Irrglauben teilt, die existierenden Unterschiede seien Zwangskonstruktionen, die darauf warteten, dass sie von den angenommenen, individualisierten Freiheitsvorstellungen des standardisierten Westens zerschlagen würden, hat zu lange intensive Bäder in der eigenen Befindlichkeitsblase genossen.

Doch wie ist es möglich, aus diesem Circulus vitiosus auszubrechen? Vielleicht mit der einfachen Erkenntnis, dass man sich darauf verständigt, die unterschiedlichen Autonomien als solche anzuerkennen und auf dieser Basis zu etwas zu kommen, was die den Unterschied der Spezies des Homo sapiens zu anderen Lebewesen ausmacht: die Kooperation.

Möglichkeiten gäbe es genug: von militärischer Abrüstung über die Nutzung der natürlichen Ressourcen, Ursachen des Klimawandels, demografische Entwicklung, faire Handelsbeziehungen, Armutsbekämpfung, Bildung, Wohnverhältnisse, Mobilität.

Kesseltreiber als Personal

Heißt es nicht, nur wer nicht in Armut lebt und in einer intakten Umwelt zu Hause ist, kommt dem Anspruch, Mensch zu sein, sehr nahe? Mit dem anfangs erwähnten Personal und seiner Haltung ist in dieser Hinsicht jedoch nichts zu machen.

Der Eindruck wird täglich bestärkt, es mit egomanischen Kesseltreibern zu tun zu haben, die letztendlich nicht die Verbesserung der Lebensverhältnisse in den eignen Ländern, geschweige denn dort, wohin sie mit ihren Aggressionen weisen, bewirken wollen und können.

Wer ausschließlich vor dem Spiegel steht und seine Muskeln zeigen will, wer im Reden keinen Sinn mehr sieht und wer schon im Voraus weiß, wer letztendlich die Schuld trägt, wenn es schief geht, der kann in diesen Zeiten keinen positiven Beitrag leisten.


Quellen und Anmerkungen

(1) Der lateinische Ausdruck Circulus vitiosus (“schädlicher Kreis”) steht für einen Teufelskreis oder eine Abwärtsspirale. Damit wird ein System bezeichnet, in dem mehrere Faktoren sich gegenseitig verstärken (positive Rückkopplung) und so einen Zustand immer weiter verschlechtern.

Der Originalartikel kann hier besucht werden